M. Oberhof: Wie ich mir Gottesdienste der Zukunft vorstelle!
Ausgabe 03-05/23
Einfach mal phantasieren…
In unseren Gemeinden ist – wie in allen Gemeinden die Diskussion über Veränderungen oder Beibehaltung liturgischer Elemente im vollen Gange.
Für mich könnten Gottesdienste der Zukunft u.a. so gestaltet sein:
„In Liturgie und Predigt gibt es einen Trend zur Kürze und zur direkten, unmittelbaren Kommunikation. Die Begrüßung ist oft persönlich gestaltet. Dadurch wird – wie auch durch Gesprächsangebote im Anschluss an den Gottesdienst – ein Übergang zwischen Alltag und gottesdienstlichem Geschehen geschaffen. Kyrie und Gloria scheinen vielfach verzichtbar. Auch das tradierte apostolische Glaubensbekenntnis kommt selten vor, eher werden persönliche Bekenntnisse formuliert. Auch die Lesung aus der Bibel ist nicht immer Bestandteil des Gottesdienstes. Statt der Luther-Übersetzung wird öfter die Übersetzung der Basisbibel oder „Hoffnung für alle“ gewählt. An die Stelle der Predigt treten persönliche Geschichten, die Glaubenserfahrung schildern, politische Statements, eine Nacherzählung biblischer Geschichten oder kreative Zugänge zu einem thematischen Schwerpunkt.
Alle Formate spiegeln den Wunsch, das gelebte Leben, die Erfahrungen und Geschichten von (mitfeiernden) Menschen stärker in den Gottesdienst zu integrieren. Wenn gepredigt wird, dann oft nur über einen biblischen Vers oder ein Thema. Selten wird eine ganze Perikope zur Grundlage genommen.
Das Gebet und vor allem die Fürbitten bilden oft einen inhaltlichen Schwerpunkt der neuen Gottesdienstformate, was sich auch im Zeitbudget ausdrückt. In digitalen Gottesdiensten wird dazu die angebotene Chatfunktion gern genutzt. Auch auf den Segen wird wertgelegt. In Video-Formaten ist eine neue Segensgeste mit Hilfe gespannter Bänder entstanden, die auf den Bildschirmen eine Form der Verbundenheit erzeugt.“
Das wären Gottesdienste, von denen ich glaube, dass sie mehr Menschen ansprechen und ihnen eine neue spirituelle Erfahrung vermitteln könnten.
Wer sich nun fragt, ob das nicht ein etwas ungewöhnlicher Sprachgebrauch für ein durchschnittliches Wandlitzer Gemeindemitglied ist, der hat recht. Der Text in den Anführungszeichen ist nicht von mir, sondern ein leicht gekürzter Auszug aus dem „Visitationsbericht einer Kommission des Bischofs der EKBO zum Thema: Mit und von Corona lernen? Neue Gottesdienstformate 2021“.
Dennoch kann ich mich mit jeder Zeile identifizieren.
Mathis Oberhof
Eine Reaktion von 9 Personen aus der Kirchengemeinde: Gottesdienst – gestern, heute und morgen …
Ausgabe 06-08/23
In der letzten Ausgabe dieses Gemeindebriefes hat Mathis Oberhof seine Ideen vom „Gottesdienst der Zukunft“ in Anlehnung an einen Auszug aus dem Bericht unserer Landeskirche zur Bischofsvisitation 2021 vorgestellt. Wir meinen, dass diese Darstellung die Thematik zu einseitig betrachtet und dass die zitierten Ergebnisse des o. g. Berichts aus dem Zusammen- hang gerissen wurden. Sie sind unter sehr speziellen Voraussetzungen, nämlich zu Corona-Zeiten, in denen über viele Monate keine „normalen“ Gottesdienste in der Kirche möglich waren, entstanden.
Wir sind daraufhin in einem kleinen Leserkreis in eine recht leidenschaftliche Diskussion geraten und möchten Sie, liebe Leser, nach dem Aufruf des Gemeindekirchenrates zu willkommenen Meinungsäußerungen, gerne an unseren Gedanken teilhaben lassen.
(…) Die Gemeinden feiern in Verbundenheit mit der weltweiten Christenheit und der Gemeinschaft der Kirche aller Zeiten an Sonn- und Feiertagen regelmäßig öffentliche Gottesdienste. (…) Die Mehrzahl sind am Kirchenjahr orientierte Vormittagsgottesdienste, die nach einer festen Form (Liturgie) verlaufen.“
Wollen wir unsere weltweit verbindende, traditionelle Liturgie wirklich infrage stellen? Wir haben uns für ein klares Nein entschieden! Die Psalmen und liturgischen Gesänge, aber auch der große Liederschatz in unseren Gesangbüchern sind eine Verbindung zu all denen, die vor uns das immerwährende Lob Gottes gesungen haben – in großen Kathedralen und winzigen Dorfkirchen. Wie viele Christen vor uns erleben wir eine unruhige Welt voller Krankheit, Inflation und Krieg. Wie sie bringen wir unser Lob, aber auch unsere Sorgen vor Gott – in der traditionellen Liturgie sogar mit den gleichen Worten und Tönen wie unzählige Gläubige vor uns. Da- mit war und ist diese Liturgie ein Leitfaden im Gottesdienst, also eine Ordnung, an der man sich orientieren kann. Wir sehen darin nicht zuletzt auch eine Notwendigkeit, um möglichst viele Menschen erreichen zu können und niemanden durch zu viel Wechselhaftigkeit, Verunsicherung oder Befremdung auszuschließen. Sind traditionelle Werte nicht auch etwas Wunderbares? Erfüllt es uns nicht auch ein wenig mit Stolz, diese Werte erhalten und erleben zu dürfen?
Wie stehen wir zu alternativen bzw. neuen Formen von Gottesdiensten?
Diese sollte es auf jeden Fall geben! Und es gibt sie ja bereits in unserem bunten Gemeindeleben. So werden z. B. Familiengottesdienste in ganz unterschiedlichen Formaten ebenso wie regelmäßige Andachten für Klimagerechtigkeit und TAIZÉ Abendgebete u. a. durch Ehrenamtliche angeboten – sehr schöne Gelegenheiten, um suchenden und interessierten Menschen die Möglichkeit zu geben, Kirchengemeinde kennenzulernen.
Können traditionelle und neue Gottesdienstformate nebeneinander bestehen? Das möchten wir ausdrücklich befürworten! Wichtig sind dabei vor allem gegenseitiges Verständnis und Interesse – bei allen unterschiedlichen Sichtweisen. Verschiedene Gottesdienstformate, die lebensnah sind und den Bedürfnissen der Menschen entsprechen, können die Gemeinde berühren und ermuntern, am Geschehen teilzunehmen oder sogar selbst mitzuwirken. Neue Formate und Gestaltungsideen sind wichtig, allerdings sollten sie auch mit Bedacht eingesetzt werden. Wir wünschen uns, dass die Gemeinde wächst und nicht wechselt – und dafür muss sich die bereits bestehende Gemeinde wohl und sicher fühlen. Dazu braucht es wiederum Traditionen, Regelmäßigkeiten und vertraute Handlungen. Eine zeitgemäße Auslegung der Bibel und eine Predigt, die Gottes Wort mit unserem All- tag zu verbinden vermag, kann in uns nachklingen und in unser Leben hin- einwirken. Und: nur zufriedene Gemeindemitglieder und authentische, lebensbejahende Gottesdienste können Menschen einladen und begeistern, die auf der Suche nach Orientierung sind.
Welches Fazit ziehen wir aus unserer kleinen Leserdiskussion? Ist es für die Zukunft wirklich erstrebenswert, dass digitale oder völlig freie Gottesdienstformate (auch mit bunten Segensbändern oder neuen Abendmahlsfeiern …) den traditionellen, auf einer verinnerlichten Liturgie gestützten Gottesdienst ersetzen? Wir meinen: Nein! Denn wir leben ohnehin in einer äußerst schnelllebigen Zeit, in der Wertewandel und -verlust und die Nicht- Akzeptanz von jahrhundertlang eingeübten Praktiken und Werteordnungen zu einem rasanten Kulturverlust führen – hin zu einer neuen Kultur, die man infrage stellen darf. Sinnvoller erscheint uns ein gewisses Maß an (Rück-)Besinnung auf Bewährtes. Die klare Struktur und die verinnerlichten Rituale des traditionellen Gottesdienstes geben wiederum Halt und Sicherheit, was z. B. auch in Zeiten persönlicher Krisen sehr wichtig sein kann.
Was bleibt von einem Gottesdienst übrig, wenn man ihn um seine liturgischen Elemente – also um das, was ihn im Kern ausmacht – kürzt und da- mit seiner unverwechselbaren Form beraubt? Was unterscheidet einen Gottesdienst dann noch von einer allgemeinen Veranstaltung mit christlichen Themen?
Eine weitere Reaktion von einer Person aus der Kirchengemeinde: Gottesdienst 3.0 ??
Ausgabe 06-08/23
In den vergangenen Jahren haben so viele Mitglieder die Kirche verlassen wie nie zuvor. Wie soll diese Entwicklung aufgehalten werden? Als Grund wird oft nicht der Verlust des Glaubens, sondern eines lebendigen Gemeindelebens angegeben. Und zwar auch jenseits der staatlich erzwungenen Corona-Abstinenzen, deren Einhaltung durch die Kirchenvertreter von vielen kritisiert wurde. Denn die Gemeinde, insbesondere im Gottesdienst, ist der Ort der persönlichen Begegnung. Jesus sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind“ – und nicht: wo sie miteinander zoomen. Oder noch unpersönlicher: wo sie zu verschiedenen Zeiten die gleichen digitalen Angebote nutzen. Digitalisierung kirchlicher Angebote hat viele Vorteile: Terminkalender, Informationen über Geschichte, Architektur und zu aktuellen Themen, Podcasts, Videos von Ereignissen v.a. für Menschen, die immobil sind. Und das Zentrum des Gemeindelebens, der Gottesdienst? Hier scheiden sich die Geister. Für mich bedarf es dazu der persönlichen Begegnung. Digitales gehört für mich in den Alltag, ich konsumiere es nebenbei, auf dem Sofa, in der Küche, es kann jederzeit unterbrochen werden. Es gibt mir kein Gemeinschaftsgefühl wie beim Singen oder Beten in der Kirche. Gottesdienst ist der intensive Ort der Begegnung mit Gott, Christus, dem Heiligen Geist. Er verlangt Kontemplation, nicht Konsum. Innere Versenkung, Selbsterforschung, religiöse Betrachtung des Gesagten und Gehörten mit anderen, deren Reaktion man spürt, von denen man weiß, dass sie da sind. Im Gottesdienst muss man auch aushalten, wenn die Worte provozieren, man kann nicht „abdrehen“, wenn ́s anstrengend wird. Nach meiner Erfahrung ist es einfacher, an einem geweihten Ort und in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen mit dem Heiligen Geist in Verbindung zu treten – und darum geht es ja schließlich. Stellt Euch vor, Jesus hätte die 5000 per YouTubes gespeist, hätte die Bergpredigt per Podcast verkündet. Heilungen, Erweckungen, das Erleben des Auferstandenen – digital? Für mich geht das nicht. Die Menschen suchen in der heutigen Überflutung oft die einfache, wahre, stille Spiritualität. Eine gute Mischung aus Ritualen (Liturgie) und Lebensbezug (in der Predigt). Wer von der Kirche nichts (mehr) wissen will, kommt auch nicht wegen mehr Digitalem. Unser Glauben, unsere Botschaft ist modern, wir müssen sie nicht überall auch mit zeitgeistigen Mitteln präsentieren.
Eine letzte Reaktion aus der Kirchengemeinde:
Entweder-oder ↔ Sowohl als auch
Ausgabe 09-11/2023
Ein kleiner Leserkreis hat sich im letzten Gemeindebrief mit der Gestaltung der Gottesdienste befasst und die Frage erörtert, ob eher traditionelle oder neue Gottesdienstformen bevorzugt werden. Wir Leser sind aufgefordert, uns an der Diskussion zu beteiligen und auch bereits veröffentlichte Äußerungen einzubeziehen. Ich unterstütze die Meinung, die das „SOWOHL ALS AUCH“ zum Ausdruck bringt, also neben der Pflege der traditionellen Liturgie auch neue Formen von Gottesdiensten praktizieren will. Ein „ENTWEDER ODER“ lehne ich ab.
Viel wichtiger erscheint mir aber eine Diskussion über die Einhaltung des 3. Gebots „DU SOLLST DEN FEIERTAG HEILIGEN“.
Anlass zu dieser Aufforderung ist der Ausfall des Gottesdienstes an jedem 5. Sonntag eines Monats in unserer Gemeinde. In diesem Jahr waren es bis- her der 29. Januar, der 30. April und der 30. Juli. Ich meine, an dieser Stelle sind wir alle gefragt. Ein Beispiel: Wegen Termindoppelung konnte Pfarrer Ludewig am Verteilertreffen in Basdorf am 25. Mai 2023 nicht teilnehmen. Also habe ich eine Kurzandacht gehalten.
Ein anderer Anlass für eine Kurzandacht wäre die Wiederaufnahme der bewährten Bibelgespräche gemeinsam mit unseren katholischen Glaubensgeschwistern. Ich schlage vor, dies an den 5. Sonntagen im Jahr 2024 zu praktizieren. Das wäre am 31. März, 30. Juni und 29. September 2024. Man könnte sie Bibel-Sonntage nennen.
Dieses Jahr noch, am 5. Sonntag im Oktober (29.10.2023) könnten wir darüber ins Gespräch kommen – natürlich verbunden mit einer Kurzandacht als Test für solch einen „Bibel-Sonntag“.